Joseph Pilates (1883 – 1967) und die Pilates-Methode

Joseph Pilates wurde am 9. Dezember 1883 unter dem Namen Hubertus Joseph Pilates in Mönchengladbach geboren. Sein Vater Friedrich Pilates, ein begeisterter Turner, vermittelte ihm die Liebe zur Bewegung. Nach einer Lehre zum Bierbrauer, arbeitete Joseph Pilates als Braugehilfe. Häufig wechselte er den Arbeitsplatz, um mehr freie Zeit für seine Leidenschaft, die Körperkultur, zu gewinnen.

1905 heiratete er in Gelsenkirchen Maria Tüttmann, die ihren kleinen Sohn Wilhelm mit in die Ehe brachte. Das Paar bekam zwei weitere Kinder: Helene (Leni) und Hans Heinrich, der im März 1909 im Alter von 10 Monaten starb. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs wanderte Joseph Pilates ohne seine Familie nach England aus. Nach Kriegsbeginn wurde er als „feindlicher Ausländer“ interniert und kam 1915 nach Knockaloe auf der Isle of Man, ins größte britische Internierungslager für Zivilisten. Joseph Pilates wurde ein wichtiger Akteur der Box-Szene im Lager, hier entwickelte er seine ersten eigenen Gymnastikübungen und entwarf erste Ideen für Kräftigungsgeräte.

1919 kehrte er nach Deutschland zurück und gründete in Gelsenkirchen eine Boxschule, außerdem stieg er selbst bei Profi-Kämpfen in den Ring. Seine erste Frau Maria war 1913 verstorben, kurz nach seiner Rückkehr nach Gelsenkirchen heiratete Joseph Pilates Elfriede Lattemann, die ebenfalls verwitwet war. 1922 ließ er seine erste Erfindung patentieren: die „Vorrichtung zur Beseitigung oder Besserung von Bein- und Fußfehlern o. derg.“. Im darauffolgenden Jahr zog er ohne seine Frau nach Hamburg. Er unterrichtete nun Polizisten der Ordnungspolizei in Selbstverteidigung und arbeitete mit Rehabilitationspatienten. Außerdem reichte er einen weiteren Patentantrag ein: Für das „Körperübungsgerät“, ein Trainingsgerät, das unter dem Namen Reformer oder Allegro bis heute beim Pilates-Training verwendet wird.

1926 wanderte Joseph Pilates in die Vereinigten Staaten aus, wo er auf der New Yorker Westside ein Studio für Körperübungen eröffnete – 40 Jahre lang lebte und arbeitete er im selben Gebäude auf der 8th Avenue mit der Hausnummer 939. Boxer, Tänzerinnen vom Broadway, Schauspielerinnen, Komponisten, Musiker, Schriftstellerinnen und Damen der Gesellschaft frequentierten sein Studio: George Gershwin und Katharine Hepburn, Martha Gellhorn und Yehudi Menuhin gehörten zu seinen Klienten. Alle kamen sie wegen des effektiven Trainings, das er anbot und das innerhalb weniger Monate den Körper biegsamer und stärker, straffer und schlanker machte. Die Tänzerinnen schätzten seine Fähigkeit Verletzungen schnell und ohne Operation in den Griff zu bekommen.

Joseph Pilates erfand weiterhin neue Geräte und entwarf auch Möbel: einen Sessel mit Kippmechanismus und das sogenannte V-Bed, ein Bett, das einen besonders ruhigen Schlaf ermöglichen sollte. Unablässig arbeitete er an der Verbreitung seiner Methode. 1934 brachte er im Selbstverlag das Buch „Your Health“ (deutsch: „Ihre Gesundheit“) heraus, in dem er seine Ideen zur körperlichen Fitness darlegte. 1945 erschien dann sein Übungsbuch „Return to Life Through Contrology“. In zahlreichen Briefen wandte sich Joseph Pilates an Ärzte und Politiker, um sie über die Wirksamkeit seiner Methode zu informieren – erhalten ist beispielsweise sein Briefwechsel mit Mitarbeitern von Präsident John F. Kennedy.

Joseph Pilates war ein Exzentriker. Er trug weder im Studio noch beim täglichen Jogging mehr als eine Badehose. Trotz seines großen Interesses für Gesundheit rauchte er Zigaretten und Zigarren. Von Zeit zu Zeit wurde er ausfällig gegenüber Klienten, die seine Übungen nicht so ausführten, wie er es erwartete. Dennoch liebten die meisten Klienten Joseph Pilates und sein Studio, viele blieben ihm jahrzehntelang treu. Das lag neben der Effektivität seiner Methode sicherlich auch an seiner dritten Frau Clara, die er bei der Überfahrt nach New York kennengelernt hatte. Sie hielt durch ihren einfühlsamen Unterrichtsstil, durch Trost und Beschwichtigungen häufig Klienten bei der Stange, die Joseph Pilates verärgert hatte.

In seinen letzten Lebensjahren prägten Ärger und Frust über seine mangelnde Bekanntheit die Weltsicht von Joseph Pilates. Dabei stieg das Interesse der Presse an seiner Arbeit und der Kreis der Schülerinnen und Schüler wuchs. Joseph Pilates träumte jedoch von landesweiter ja weltweiter Bekanntheit, er träumte davon, im großen Maßstab Lehrer in seiner Methode auszubilden und so die Menschheit gesünder und glücklicher zu machen.

Am 9. Oktober 1967 starb Joseph Pilates an einem Lungenemphysem. Kurz vor seinem Tod soll er gesagt haben: „I’m 50 years ahead of my time!“ – „Ich bin meiner Zeit 50 Jahre voraus!“ Diese Aussage war erstaunlich zutreffend. Auch wenn sein Name und seine Lebensgeschichte nach wie vor eher unbekannt sind: Heute, 50 Jahre nach seinem Tod, hat die Pilates-Methode den weltweiten Durchbruch zweifellos geschafft und so den Lebenstraum ihres Erfinders posthum erfüllt.

Mehr erfahren über das Leben von Joseph Pilates:

In Eva Rinckes Biografie „Joseph Pilates. Der Mann, dessen Name Programm wurde“: Leseprobe oder gleich im Herder-Shop bestellen

Mehr über die Autorin und spannende Blog-Artikel: www.pilatesbiography.wordpress.com